Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 6. Juli 1942
den 6. 7.42
Mein liebes Lottenkind,
Hast Du den Geburtstag von Pappi (Harald geb. 3.7.03) denn ganz vergessen! Ich bekam gestern Deinen Brief vom 1. 7., für den ich Dir herzlich danke, aber ein Geburtstagsgruß stand nicht darin. Der Tag war nicht viel anders, wie alle anderen auch. Ich bekam zwar formell den Nachmittag frei; dann habe ich auf Wilhelm gewartet, den ich eingeladen hatte, und dann haben wir im Bahnhofshotel Spiegelei mit Bratkartoffeln gegessen und ein dünnes Bierchen getrunken. Bumms aus.
Vergiss nur nicht Frau Schelling zu besuchen. Heinz weiß, daß Du in Stettin bist und würde es übel nehmen, wenn Du seine Frau nicht besucht ist. Er schreibt, daß er mich persönlich verantwortlich dafür mache.
Deine Sorge wegen der Angriffe ist unbegründet. Es hat hier zwar einige Male ganz schön gerummst, aber Bomben sind nicht gefallen, wenigstens nicht in der Nähe. Wir werden jetzt leider wegen jedem Dreck geweckt, was bisher nicht gemacht wurde. Wir gehen dann in einen dicken Betonbunker, was Dich sicher beruhigen wird. Uns ärgert es, wir blieben viel lieber in den Betten.
Ich bin jetzt eifrig auf der Suche nach einem Zimmer für uns und hoffe, Dir nächster Tage günstigen Bericht geben zu können.
Kannst Du von Hans mal erfahren, weshalb die Firma in Düsseldorf einen Häuserblock kaufen will. Will sie Geld anlegen, oder bleibt sie drauf hängen. Wie viel will sie etwa anlegen. Könnten wir nicht durch die Kölner Börse auch Angebote einholen? Ich kann mir denken, daß Angsthasen ihren Besitz in Köln abstoßen, sodaß man vielleicht günstig kaufen kann. Sicherer als Köln ist Düsseldorf auch nicht, denn was Köln passiert ist, kann jeden Tag Düsseldorf auch blühen. Also frage Hans mal. Vielleicht erzählt er Dir was, was wir auswerten können. Du kannst ihn ja ruhig mal den Vorschlag machen.
Ich habe heute zufällig die Personalakte meines früheren Chefs, Oberstleutnant Doktor M i x in die Hände bekommen. Er hat alle Wilhelmine Schultz geb. 25.5.1830, gest. 24.2.1911 in Berlin zur Großmutter. Ist er am Ende vielleicht sogar mit Schultzens verwandt? Er war übrigens 31 Bürgermeister in Stolp und 33 2. Bürgermeister in Stettin.
Ich habe zum Geburtstag Post von Mutter, die noch im Krankenhaus liegt, und von Endemanns aus Hannover bekommen.
Daß es Dir dort gut gefallen wird, habe ich gewusst. Es ist reizend dort am Wald. Bis auf Nawotnys kenne ich alle Leute, die du in dem Brief er-
wähnst. Vergiss nicht Hans zu fragen, was er mit mir in der christlichen Seefahrt vorhat. Daß ich viel davon verstünde, kann ich ja gerade nicht behaupten, aber das ist Hans ja genauso ergangen.
Wir haben hier jetzt herrliches Sommerwetter. Unsere Montur ist zwar etwas reichlich für die Hitze, aber ich bin lange nicht mehr so empfindlich dagegen, seit ich den halben Zentner los bin. Ob Du wohl auch mal nach Swinemünde kommst. Ich hätte jetzt für ein paar Tage hin gekonnt, wenn Uffz. Hohle nicht in Urlaub wäre. Das wäre vielleicht eine Überraschung geworden. Wenn Hans mal hier in die Gegend z.B. Emden kommt, kann er mir doch mal Bescheid zukommen lassen. Dann könnten wir uns vielleicht mal treffen. Ich würde höchst wahrscheinlich einen Tag, vielleicht auch mehr frei bekommen, wenn Hohle wieder hier ist. Nach Emden kann ich von hier mit dem Omnibus und dem Zügle kommen. Auch Bremen und Oldenburg ginge.
Am 10. kommt Hohle aus dem Urlaub wieder und darüber bin ich recht froh, denn der Dienst ohne Punkt und Komma mit 2mal Nachtdienst die Woche ist doch ein bisschen strapaziös. Bei unseren Jägern fängt bei den kurzen Nächten der Tag schon um 4 Uhr an und hört erst um 11 Uhr auf. Dementsprechend ist auch der Nachtdienst lebhaft. Wir können den verlorenen Schlaf auch nicht nachholen, da der Dienst den anderen Tag gleich weitergeht. Wir haben nur gerade Zeit zum Waschen und Frühstücken. Mit dem Längerwerden
der Nächte wird das ja auch wieder besser.
So und nun grüße mir alle Stettiner recht herzlich, selbstverständlich auch Frau Schelling, den Vetter Klaus und alle die ich kennengelernt habe. Hast Du den kleinen Jochen, wahrscheinlich ist es inzwischen ein großer Jochen geworden, auch etwas mitgebracht? Schwierig genug wird es ja sein.
So und nun setz Dich gleich mal hin und schreibe mir einen lieben Brief damit ich nicht mehr traurig zu sein brauche.
Es grüßt und küsst Dich herzlich
Dein Harald.