Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 1. August 1942

1.8.42

Mein liebes, kleines Lottenkind,

heu ist der erste traurige Gedenktag an Deine Abreise vor 8 Tagen. Ich bin über den Abschied noch in keiner Weise hinweg und habe ein ganz infames Heimweh. Hier geht alles an mir vorüber, als ob es mich garnichts anginge. Du hast recht, im Augenblick des Abschiedes kommt es einem gar nicht richtig zu Bewusstsein, aber nach her, wenn alles so leer ist, umso mehr. Ich war gestern Abend bei Carrels und muß sagen, daß es mir richtig schwer gefallen ist, dorthin zu gehen, wo mich alles so an Dich erinnert. Ich habe sie von Dir gegrüßt und versprochen, daß Du mal schreibst, weil ich merkte, daß sie darauf warten. Frau Lichtschlag nebst Jungen und Schwägerin sind gestern eingezogen. Ich platze bald vor Neid. Hoffentlich kannst Du aufgrund meines Briefes einen kurzen Urlaub herausschlagen. Das Schreiben muß nur amtlichen Charakter mit Stempel haben und bescheinigen, daß die Sache nicht auf die lange Bank geschoben werden kann. Hoffentlich hast du meinen Brief rechtzeitig und kannst Montag bei der Stadt das Schreiben schon bekommen. Ich bin schon richtig giebrich auf die paar Tage und vor allem schrecklich verliebt in Dich.

Mit dem Wasser gilt das wird ja nach Deinem letzten Brief immer misteriöser. Es kann doch danach nur ein Fehler an der Uhr sein. Auf jeden Fall soll Beerenrath den Befund schriftlich niederlegen. Er soll den Zählerstand aufschreiben und jedes Mal, wenn er in die Ecken dort oben kommt, erneut ablesen. Könnte es nicht auch eine Schurkerei von Wittersheim sein?

Hier herrschte seit 2 Tagen das herrlichste Sonnen- und Sommerwetter. Es ist eine Schande, daß du davon nichts mitbekommen hast. Es hat alles gleich ein ganz anderes Gesicht. Es war doch ein Jammer, daß Du die ganze Zeit drinsitzen mußtest. Da fällt mir ein, daß ich Dir in einem meiner früheren Briefe einen Ausschnitt aus der Kölnischen über die Versetzung einer Dozentin

namens Hechtle an die Universität Bonn (sc. geschickt habe). Habt Ihr den Ausschnitt gelesen und mal festgestellt ob es eine Verwandte ist. Bei der Seltenheit des Namens spricht doch viel dafür. Hast Du mal an Tante Clara geschrieben, wie wir es gesprochen hatten? Du wirst Dich in Deinen Pflichtenkreis sicher wieder schnell eingelebt haben. Du hast die Kinder und das Haus und die Arbeit. Ich habe nur die Arbeit, die mir keine rechte Freude mehr macht. Außerdem machen sich jetzt auch hier intensive Vorbereitungen für einen herzlichen Empfang der Tommys bemerkbar. Wir laufen dauernd in voller Kriegsbemalung herum und werden mit allerhand zusätzlichen Diensten beschäftigt. Es hat auch wieder eine Reihe von Abschüssen gegeben. Gestern war der Tommy nun ja auch in Düsseldorf. Meine Theorie, daß Düsseldorf jetzt gefährdeter ist als Köln hat sich also vorläufig bewahrheitet. Ob wir nicht doch Fritzen was anbieten? Habt Ihr in den letzten Nächten Alarm gehabt? Hier war es in den 2 letzten Nächten ruhig. Davor haben wir aber bis zu 4 Stunden im Bunker gesessen.

Ist Mutter noch in Melsungen oder schon in Nassenerfurt? Ich hatte ihr ja gleich vorgeschlagen, sich irgendwo in eine hübsche Gegend in eine richtige Pension zu setzen, wo sie Ruhe und Erholung hat. Sie ist aber schrecklich schwerfällig und muß immer in ausgetretenen Gleisen fahren. Sie traut sich nichts mehr zu.

Deine Mutter gib bitte einen recht lieben Kuß von mir, weil sie das Haus und die Kinder während Deiner Abwesenheit so gut verwahrt hat. Kannst Du Bohnen zum Einmachen bekommen. Mache bitte alles mobil, daß das klappt. Geh auch mal mit den Kindern zu Hüllen, es wird sich sicher lohnen. Was hat er denn zu dem Bild von seinen Kindern gesagt? Sieh mal zu daß Biederbick Dir einen neuen Film für mich verkauft. Ich möchte hier gerne einiges knipsen. Auf meinem letzten Film sind auch Aufnahmen von Jever, die Dich jetzt sicher doppelt interessieren werden. Suchen Sie Dir mal raus.

1000 recht liebe Grüße
Dein Mann