Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 30. August 1942

Qu., den 30.8.42

Guten Morgen, mein liebes Lottenkind,

einen Sonntagsgruß sollst Du auch haben, auch wenn es wieder schrecklich viel Arbeit gibt. Ich bin an sich ganz froh und guter Dinge, weil es mir körperlich wieder besser geht. Heute ist nun Sonntag und ich hoffe, daß du einen Brief von mir hast. Deine Briefe sind in der letzten Zeit auffallend lange unterwegs. Ich habe den Eindruck, daß sie in Hamburg gesammelt werden und dann gebündelt nur an bestimmten Tagen in der Woche weitergeleitet werden, denn es ist auffallend, daß neuerdings Post für Jever immer schubweise oder garnicht ankommt. Hast Du Dich mal um Mutters Hauszinssteuer gekümmert und was sagt Pfütze dazu. Glaubt er, daß sich eine Ermäßigung erreichen läßt. Es muß nur schnell gehandelt werden, denn der anderen wird groß werden und der Stand vom Dezember 42 ist maßgebend. Was bis dahin nicht erreicht ist, ist verloren.

Ich freue mich hier täglich an einer Eberesche, die mit ihren roten Beeren direkt vor meinem Büro zwischen Birken im Walde steht. Ich habe auch wieder das Ernten von Hagebutten begonnen, die hier in erheblicher Zahl an den Moosrosensträuchern hängen. Sie müssen mir das gänzlich fehlende Obst ersetzen. Zweimal haben wir hier Obst bekommen. Das erste. Mal faule Kirschen, das zweite Mal faule Pflaumen. Es ist doch ein Jammer mit der

Zwangswirtschaft. Kannst Du durch Herrn Siefken nicht an Bohnen zum Einmachen kommen. Es ist für mich ein geradezu scheußlicher Gedanke, daß Ihr so ohne alle Vorräte, die man doch sogar in normalen Zeiten anlegte, in den Winter gehen sollt.

Die Wüste Hitze der letzten Tage ist heute, Gott sei Dank, gebrochen. Die Wege in voller Montur von der Unterkunft zum Gefechtsstand und zurück waren eine reine Qual. Unsere Fliegermonturist ja nun wirklich keine Anzug für die Hundstage

und Gewehr, Gasmaske, Gasplane, Patronentaschen, Tragegerüst, Koppel und Seitengewehr dienen auch nicht zur Erleichterung.

Jetzt ist Brasilien auch noch in den Krieg eingetreten und sicher werden andere südamerikanische Staaten nachfolgen. Damit wird auch eine amerikanische Landung in Westafrika akut, das bedeutet einen neuen Kriegsschauplatz für diesen Winter. Es treibt jetzt doch alles m.E. einer Entscheidung entgegen, die wohl im kommenden Frühjahr und Sommer fallen wird. Allen Recht liebe Grüße und Dir      

1000 liebe Küsse
Dein Harald