Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 5. September 1942
5.9.42
Mein liebes Lottenkind,
eben kommt Dein lieber Brief vom 30. August, der also über 5 Tage gebraucht hat um sich zu mir durch zu quälen. Also Helga hat Klavierstunde! Ich freue mich sehr über deinen Entschluss. Weißt Du auch, daß Du damit zu Deinen zahlreichen Pflichten noch eine neue hinzugenommen hast nämlich die, Deine zwar schrecklich lieber aber doch flatterhafte Tochter bei der Stange zu halten. Sie wird sicher in ihrem Eifer bald erlahmen, und da mußt Du aufpassen. Setze ihr doch das Ziel, mir bei meinem Weihnachtsurlaub etwas recht Schönes vorspielen zu können als Geschenk für den Papi. Was nimmt Dir Frl. H.(unscheidt) denn ab?
Den jungen Orthsiefer kenne ich nur vom Sehen. Es tut einem richtig gut von einem Offizier zu hören, wie es sein sollte. Ich blicke mich hier ziemlich vergeblich nach solchen um. Gut, daß die Fronttruppe sie hat.
Denke Dir, ich bekomme heute zu meiner größten Überraschung eine Karte von Theo aus Oberstdorf. Er ist von seinem Ersatzhaufen gleich wieder in Urlaub geschickt worden (sein letzter Urlaub war ein Genesungsurlaub und nun hat er Jahresurlaub). Daß er höchst begeistert ist
brauche ich Dir kaum zu versichern.
Willi und Hermann haben m. E. durchaus durchaus recht finde ich. Worauf wollen Sie warten. Auf das Kriegsende? Du großer Gott!
Wir haben in unserer Bude hier den schönsten Dreck. Die Maurer sind da und hauen alle Risse, die vom Bombenangriff herrühren aus, um sie zu verschmieren. In wenigen Wochen ziehen wir um nach Stade, dann steht die ganze Halle leer, aber nun ist es plötzlich eilig nach dem es 2 Monate Zeit gehabt hat. Das ist mal wieder typisch. Die Milch bekommt mir großartig, ich fühle ordentlich einen Kraftzuwachs. Leider ist Rech wieder da und macht mich durch sein konstantes Bimmeln nervös. Man kann keine 5 Minuten zusammenhängend arbeiten und bekommt deshalb auch nichts geschafft und muss dann abends, wenn der große Herr wegzugehen geruht hat, auf arbeiten. Und zeigen die Offiziere bei der Arbeit nur auf. Das ist hier in allen Abteilungen so. Wilhelms Offizier ist jetzt für 4 Tage weggefahren, ohne ihm auch nur ein Sterbenswörtchen zu sagen. W. stand mit der ganzen Post ratlos da und wusste nicht, an wen er sich wenden sollte, da auch keinerlei Vertretung geregelt war. Der Herr ist nach Wangerooge baden!
1000 liebe Grüße
Dein Harald