Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 3. Oktober 1942
O.U., den 3.10. 1942
Liebes Lottenkind,
also ich bin in Stade. Erster Eindruck von der Stadt und der Landschaft entzückend, soweit der Kommiss nicht hinkommt mit seinem Wahn. Hier auf unserem Gelände sieht es noch sehr kraus aus. Große Bagger sind an der Arbeit, um uns langsam in den Berg rein zu wühlen. Die Sache soll die Kleinigkeit von 6 Millionen kosten und wird nicht vor 2 Jahren ganz fertig sein. Scherzfrage – wie lange soll der Krieg dauern?
Ich finde hier auch eine ganze Anzahl Briefe vor, lieber Briefe sogar, die mich herzlich erfreut haben.
Die aufgelaufenen Sachen werde ich von hier aus langsam aufarbeiten. Du mußt schon Geduld haben, denn wer sie arbeiten kann ich auch nicht. In der Anlage schicke ich Dir das Reichsgesetzblatt, den Brief der Gestapo und einen Briefentwurf von mir sowie einen unterschriebenen Bogen. Den Briefentwurf mußt Du nach den Akten ergänzen und dann mit derselben Aufteilung auf den Blancobrief abschreiben natürlich so, daß die Unterschrift drunterpasst. Dann schickst du ihn ab und Ab-
schriften an die Gestapo und das Finanzamt.
Die Pakete habe ich noch von Jever aus aufgegeben. Schreibe mir bitte sofort, wenn Deins angekommen ist. Ich habe eine Wertangabe gemacht.
Über Frau Banting mache Dir bitte genaue Notizen, damit man zu gegebener Zeit mit genauen Angaben aufwarten kann. An Heidis Geburtstag denke ich natürlich, ich weiß aber mit dem besten Willen nicht, was ich ihr schenken könnte. Über das Bild wo der lütte Jürgen drauf ist, habe ich mich sehr gefreut.
Das restliche Geld an Wiel kannst Du abschicken. Kündigen tue ich von hier aus.
Daß von Studienrat Becker ein Sohn gefallen ist, tut mir sehr leid, denn ich kannte sie beide sehr gut. Es waren Prachtkerle. Kannst Du erfahren welcher?
1000 liebe liebe Küsse und Grüße
Dein Harald