Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 18. März 1943
den 18.3..43
Mein liebes Lottenkind,
Diesen Brief wirst Du wohl am Sonntag bekommen, und ich will versuchen, ihn etwas sonntäglich zu gestalten . Das herrliche Wetter und die Tatsache, dass ich gestern wieder ein Spaziergang von 3 Stunden machen konnte, machen mich innerlich so froh, dass ich Dir gern von dieser Stimmung etwas mitgeben möchte. Du wirst Dich sicher wundern, dass ich plötzlich wöchentlich einen Nachmittag frei habe. Das ist so gekommen. Hohle hat sich hier in Stade engagiert, wie ich Dir bereits schrieb und strebt nun dauernd von der Dienststelle weg. Abends um 6:00 Uhr haut er ab und jede Woche mindestens einen Nachmittag. Was ihm nun recht ist, ist mir billig, und so habe ich dasselbe Recht wenigstens was den freien Nachmittag betrifft für mich in Anspruch genommen und siehe, es geht. Wenn das so bleibt, hat sich meine Lage hier wesentlich verbessert.
Gestern bin ich in Moor gewandert. Auf der Karte hieß es Stader Moor, Rehdinger Moor, Wildes Moor, Ostermoor usw. Es waren aber immer nur Felder und vor allem Weiden. Das einzigste, was noch an den alten Zustand erinnert sind die zahlreichen und teilweise tiefen Wasser(unleserlich) und die Torfstiche. Alle Romantik ist beim Teufel, ein paar Stückchen Heideland ist der kümmerliche Rest. Trotzdem ist das weite Land mit seinem Birken und den Hünengräbern und den zahlreichen Findlingsblöcken, an deren Lage man sich noch gut den Verlauf der alten Gletscher feststellen kann, schön in seiner Schlichtheit und Frühlingserwartung. Kannst Du nicht auch mal mit den größeren Kindern einen Marsch - vielleicht nach Bonn – machen. Dann kannst Du gleich der Helga
die Arndtstätten zeigen. Von der Gronau aus könnt Ihr ja wieder fahren. Auf den Wiesen waren hier und da schon ein paar gelbe Blumen und die Vöglein zwitscherten schon eifrig.
Gestern erfuhr ich, dass Hauptmann Riemann, der mir in Husum und Wangerooge das Leben sauer gemacht hat, im Osten gefallen ist. Der Mann war mir ein Brechpulver, aber sein Tod hat mir doch irgendwie leid getan. Sicher ist er seiner überlebensgroßen Nervosität zum Opfer gefallen.
In den letzten Tagen ist der Tommy hier oben nicht eingeflogen. Die Nächte sind ihm wohl zu hell. Sie sind noch widerlich kalt aber von einem klaren (unleserlich) erfüllt. Der blaue Dunst über den feuchten Wiesen ist vom Licht des Mondes durchflossen, dass er milchig leuchtet.
Jetzt wird sicher bei Euch schon der Frühling eingezogen sein. Hat der Zement im Vorgarten abgebunden und sind die Steine fest. Sieh doch mal zu, ob Du nicht 2 Büsche Polsterprimeln von verschiedenen Farben bekommst für den Steingarten und merke Dir in diesem Jahr mal genau, wie und wann die einzelnen Blumen im Steingarten blühen. Am besten machst Du Dir eine Zeichnung und trägst Farbe mit Blühdauer ein, damit sie mal eine wirklich schöne und zweckdienliche Anordnung bekommen.
Hat Rademacher die Tür gemacht oder besser will er sie machen? Wenn er nicht kann oder will, dann Schreinerei Pohl Plitttersdorf Hohestraße (gegenüber Metzgerei Hammerstein). Habt Ihr Euch auch um die Glasmasten kümmert. Bringt den Kindern noch bei, wie sie sich die Dinger selbst aufsetzen können.
Eben habe ich noch geschrieben, dass der Tommy nicht kommt, und schon ist er mit 80 Maschinen im Anflug. Ich muss deshalb schließen. 1000 liebe Küsse
Dein Harald.