Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 7. Juni 1943
7.6. 43
Mein liebes Lottenkind,
Diesen Brief verdankst Du einer Meuterei, die unter uns Schreibern ausgebrochen ist. Ich schrieb Dir schon, daß wir jetzt offiziell von 7 Uhr morgens bis 1o,15 Uhr abend mit einer halben Stunde Mittagspause, die eben ausreicht um schnell zur Kantine zu laufen, das Essen herunter zu schlingen und wieder zur Dienststelle zurück zu hetzen, Dienst machen. Gestern wurde nun streng verboten, während der Dienststunden Privatbriefe zu schreiben. Die Folge davon ist, dass wir alle schreiben, was wir uns früher nie erlaubt hätten. Ich habe an Stettin, Hannover, an Walter Mais(s) und Fritz Rösel usw. geschrieben und habe eine richtige spitzbübische Freude wie ein kleines Kind. Überschrift militärisches Erziehungsprodukt. Eigentlich ist es zum Weinen,
aber uns macht es kindischen Spaß. Ich vergaß gestern 2 Briefe beizulegen, die ich heute mitschicke. Ich habe den Hannoveranern die Geburtstage geschrieben.
Ich habe nun auch vor die Urlaubsangelegenheit auf die Spitze zu treiben. Schreibe mir zu diesem Zweck bitte einen Brief mit Datum vom 26. 5. , in dem Du mir schreibst, ob ich nicht bald in Urlaub kommen kann, da eine ganze Reihe von Sachen kaum längeren Aufschub duldeten. Und dann zählst Du gewissenhaft alles auf, was Du nicht kannst, angefangen von der Übergabe der Verwaltung Weil bis zum letzten. Schreibe aber so, dass ich den Brief vorliegen kann. Vorgestern haben sie hier ein Unteroffizier, der beim Angriff auf Wuppertal
Totalschaden hatte einen Sonderurlaub abgelehnt mit der Begründung, dass es dadurch auch nicht mehr besser würde. Weißt Du Lotti, ich glaube ich habe es Dir schon mal gesagt, ich verstehe heute manches, was 1918 passiert ist.
Rede Mutter nur nicht zum Reisen zu, sonst reist sie in ihrer Stimmung garnicht. Lasse sie ganz gewähren! Steht für Hansis Hochzeit schon irgend ein Termin fest. Schreiben musst Du ihn mir rechtzeitig. Hans ist gut! Nein, wo ich wieder in Jever sitze, schreibt er, dass er viel in Hamburg zu tun habe und mich gerne mal sehen würde. In dem halben Jahr, wo ich gekonnt hätte, hat er sich ausgeschwiegen. Ja ja, die Zivilisten!
Wir haben heute aus Notwehr
wieder geheizt, denn es waren nur 14° in den Büros. Es ist ein Kleinkrieg über die Heizungsfrage entbrannt. Die Horstverwaltung steht aufgrund der Verfügung 08/15 Qu 1 IE Nummer 40386/41 k auf dem Standpunkt, dass ab 1. April nicht mehr geheizt werden darf, egal wie kalt oder warm es ist. Wir hingegen wollen auch im Juni nicht frieren. Infolgedessen heizen wir selbst. Bei der ersten Rauchwolke, die unserem Schornstein entquillt, kommt von der Kommandantur der Oberheizer angesaust und macht Krach, wir schmeißen ihn dann raus und sind ihn dann für den Tag los.
1000 liebe Grüße
Dein Harald