Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 5. September 1943
5.9.43
Mein liebes Lottenkind,
Es ist Sonntagnachmittag und ich sitze allein auf weiter Flur. Gaiser ist im Casino, Edel ist auf Dienstreise in Berlin, Mara ist in die Stadt gefahren und es ist somit die schönste Gelegenheit, dir einen Brief zu schreiben. Nur schade, ich weiß nichts mehr. Ich bin sozusagen ausgeschrieben. Ich schicke Dir einen Brief mit, den ich heute von Heinz Schilling erhielt. Vielleicht schreibst Du ihm auch mal eine Karte. Ich habe ihm sofort geantwortet nach meinem neuen System. Kurt Schumacher hätte uns seine Heirat ja auch ruhig mitteilen können. So geht es meistens im Leben, aus den Augen aus dem Sinn. Da ist Heinz doch ein anderer Kerl. Was machen wir nun mit seiner Patenschaft? Mein Urlaubsgesuch liegt nun schon 3 Tage vor und ist immer noch nicht unterschrieben. Es ist zum Verzweifeln, dabei sehe ich uns beide schon durchs Hessenland wandern. Du müsstest nach meinem Plan am Mittwoch den 15. September fahren. Ich komme dann am 16. September ziemlich früh in Melsungen an, weil ich die Nacht durch fahre. Am Mittwoch sehen wir uns dann noch zusammen Melsungen an.
Lass Dich von Mutter noch hinlänglich über Spangenbergs und Dr. Kahle informieren und antworte mir bitte auf meine Fragen bezüglich Erich Schneider usw. Daß Helgas Geburtstag hübsch war hat mich sehr gefreut. Du schreibst aber nichts von meinem Brief. Ist er tatsächlich zu spät gekommen? Dann muss unsere Postordonnanz noch nachträglich Flachs drücken (?) Hoffentlich kann Heidis Geburtstag auch so schön gestaltet werden, damit sie sich nicht zurückgesetzt fühlt. Wir müssen unbedingt im Urlaub Aufnahmen von den Kindern machen. Sieh mal zu, ob Du bei Biederbick einen Film 6 × 9 bekommst. Ich habe unser Familienbild jetzt auf meinem Schreibtisch stehen. Was sollte es über meinem Bett? Nachts schlafe ich und kann es mir nicht betrachten, aber am Tag – und ich bin doch den ganzen Tag auf dem Dienstzimmer – hab ich was davon, wenn ich es mir ab und zu mal betrachten kann. Es ist so ein durchaus fröhliches Bild. – Wie ich von Berlinern höre sind in Lichterfelde viele Bomben gefallen. L. grenzt so viel ich weiß östlich an Dahlem. Da werden Heuses auch unruhige
Nächte gehabt haben. Hat Hänschenschon mal wieder geschrieben? Wie sind sie bloß in Garmisch untergekommen? Haben sie v. Salvinis besucht? All das wüsste ich gern. Heute Abend fährt Fräulein Marx von unserer Dienststelle in Urlaub nach Brühl. Sie will auch mal nach Godesberg. Es ist möglich, dass sie bei Euch vorspricht und Grüße bestellt, damit Ihr Bescheid wisst. Sag es auch den andern. Wann fängt eigentlich das Päda wieder an. Die Ferienzeiten haben sicher wohl gegen früher verschoben. Früher ging es so gegen den 15. September wieder los. Was macht eigentlich Strenger? Ist er noch in Russland oder hat er es wieder fertig gebracht, weg zu kommen. Wo steckt Charlie? Trotz aller Bemühungen habe ich hier noch keine Erbsen oder Bohnen auftreiben können, hoffe aber doch noch, etwas zu bekommen. Ich hoffe, dass Deine Magenverstimmung wieder weg ist, wenn Du diesen Brief bekommst. Hier geht etwas ähnliches um. Die Landser liegen weiter
reihenweise damit. Es dauert aber meist nur 2-3 Tage. Preschl ist nun auch wieder allein,. Seine Frau, die bei Carels wohnte, ist wieder weg. Er soll mir nun die Bilder machen.
Die Postkarte mit meinem Bild gefällt ihm nicht. Er hat mich deshalb gestern neu geknipst. Hoffentlich wird das Bild gut. Von der besten Aufnahme lasse ich dann Vergrößerungen machen. So nun ist es so langsam 7 Uhr geworden und ich werde abrüsten um noch einen Nase voll frische Luft zu nehmen.
Viele liebe Grüße und Küsse von
Deinem Harald