Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 22. Januar 1944
22.1.44
Mein liebes Lottenkind,
also der liebe Jung ist noch hier. Das hätte ich vor ein paar Tagen, als wir bereits unsere Sachen packen mußten , nicht gedacht. Aber ich habe habe ja gar nichts dagegen. Heute kam übrigen Dein lieber Brief vom 20.(bravo Post) , einer von Mutter und einer von Hjalmar. Ich schicke Dir heute mal wieder alle alten Briefe , soweit sie beantwortet sind, zu. Die Vesdepzeitung (=Ehemaligenzeitung des Evgl. Pädagogiums) ist auch da. Das Wetter hier ist geradezu miserabel, es stürmt und regnet schon seit Wochen, oder es ist dicker Nebel. Kein Frost, kein Schnee! Gestern war es mal ein bisschen besser, da war dann auch gleich der Tommy wieder da. Ich war gestern Abend gerade bei Fleßners,um Milch zu holen, da gab es Alarm, und es brummten mit mächtigem Getöse viele hundert Bomber über uns weg, daß alle Fensterscheiben zitterten.
Wilhelm L. hat eine ordentliche Halsentzündung, die er sich wohl bei unseren Felddiensten in der triefenden Nässe dieser Tage geholt hat. Die Sachen, die ich nicht mitnehmen kann, schleppe ich hier nach C(arels)., da können sie meinetwegen bis Kriegsende liegen. Wenn wir hier nicht bald wegkommen, reiche ich doch noch Urlaub ein, obwohl unsere Urlauber alle zurückgeholt worden sind. Es hofft der Mensch, so,lang er lebt. Zu diesem Zweck mußt Du mir aber sofort noch einen Brief schreiben, in dem Du auf Mutters Zustand hinweisest und auf die Steuererklärungen und daß Du nicht mehr wüsstest, was Du anfangen sollst, wenn ich nicht kommen sollte. Ein bisschen dick kannst Du schon auftragen. Und das Reisegeld (10 Mk,-) müsstest Du auch schicken. Am besten im eingeschriebenen Brief. Aber schnell, denn lange geht das hier auf keinen Fall mehr gut. Ich glaube,ehrlich gesagt, nicht ganz daran, aber versucht wirds. Beruhige nur Mutter! Sie sieht mich schon auf der nackten Erde schlafen, wo ich doch noch z.Zt. In gefederten Betten schlafe und mir nichts fehlt. Wenn sich eine Evakuierung nicht umgehen lässt, dann halte ich es für richtig, wenn Du mit den Kindern gehst, sonst bekommt man die Familie überhaupt nicht mehr zusammen. (Keine Unterschrift)