Harald Endemann an seine Frau Charlotte, Ende Januar 1944 (?)
[undatiert, Ende Januar 44?]
Liebe Lotti,
hier kommt Lesestoff. Es fällt mir richtig schwer, mich von den Briefen zu trennen, aber ich habe keinen Platz dafür. Sie müssen fort. Ich habe scheußliches Heimweh, obgleich es noch kein voller Monat ist, daß wir uns zuletzt sahen. Der Hauptgrund, glaube ich, ist die Unmöglichkeit, sich in absehbarer Zeit zu sehen und Euch obendrein noch in Gefahr zu wissen. Wie steht es denn mit der Lebensmittelversorgung? Klappt es, oder machen sich Mangelerscheinungen bemerkbar? Ich kann mir trotz aller Schilderungen kein rechtes Bild von Eurem Leben machen. Hier ist es noch verhältnismäßig friedlich. Die paar Alarme, die es gibt, nimmt man nicht so ernst. Kameraden, die aus dem Osten zurückkehren, erzählen manchmal wilde Geschichten. Es geschieht aber m.E. z. Teil aus dem Grund, ihre tagelange Verspätung zu entschuldigen. Sind die Westwallschipper wieder zurück
oder bauen sie noch weiter solche Auffangstellungen? Hoffentlich ist V2 wirksamer und nachhaltiger als es V1 sein konnte. Ein langsames Zurückkämpfen durch Deutschland wäre furchtbar. Wir hoffen alle noch. Mit unserer Verlegung ist es also vorerst nichts. Du kannst also weiter an offene Anschrift schreiben. Hat nun Spinat (Kunde) gezahlt oder nicht? Dein Standpunkt, nicht nach Ließem (Dorf bei Godesberg) gehen zu können, ist m.E. falsch. Dann wird sich Frau H.(üllen) sagen, daß sie dann auch keine Kartoffeln liefern kann, das ist mindestens so gefährlich. Auf der baumbestandenen Allee nach Ließem besteht doch wohl keine Gefahr. Ich werde mal hingehen, damit Euch die Kartoffeln sicher sind. Es ist möglich, daß ich in Unkenntnis oder Verkennung der Tatsachen Unsinn schreibe, aber das darfst Du mir nicht übelnehmen.
1000 liebe Küsse von
Deinem Mann