Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 1. März 1944
1.3.44
Mein liebes Lottenkind,
eben bringt unser Wachkommando Deinen lieben Brief vom 26.2. mit. Als ich die Abrechnung durchsah, habe ich mich gleich hingesetzt. Wie hast Du das bloß fertiggebracht, Du kleiner Hexenmeister. Ich bin ja sooooo froh, nicht nur, daß dieser schreckliche Bären(sic!) abgebunden ist, sondern auch,daß ich ein so tüchtiges Frauchen habe, die das kann, was ich nicht kann, die Groschen zusammenhalten. (Bären abbinden = interner Ausdruck für Schulden tilgen). Ich weiß nun gar nicht, wie ich Dir danken soll und habe nun Sorge,daß Ihr Euch krummlegt, um meine alten Schulden abzubezahlen. Ach Lotting, wie hab ich Dich so lieb. Im Hinblick auf Deine Tüchtigkeit ist mir gar nicht mehr so bange für die Zeit nach dem Krieg. An mir soll es dann nicht fehlen. Wir werden es mit vereinten Kräften dann schon schaffen. An Dr., Früchte schreibe ich von hier aus. Es werden ja wohl noch Zinsen und Kosten sein, aber das kann nicht mehr so schlimm sein.
Wir sind hier aus dem Wirrwar noch lange nicht raus. Es ist einfach scheußlich. Ich ginge lieber heute als morgen. Aber die Aussicht, nach Stade zu kommen, ist gering. Die Stader könne sich offenbar gegen das Geschwader nicht durchsetzen. Hier ist auch vieles anders, aber nicht besser als in Jever. Betten mit Holz uns Holzwolle, Baracken, eine Kantine,in der es außer Bier und Zigaretten (3 Stück pro Tag) nichts zu kaufen gibt usw. Ob ich Rotenburg noch jemals zu sehen bekomme, ist fraglich, denn wir sind von morgens bis abends in Betrieb. Aber es ist sicher nicht die Arbeit, die alles so scheußlich und unerträglich macht, sondern es ist der gereizte Ton und das allgemein eingerissene Anschrei-Komment, die Dickfelligkeit und weiß der Teufel was sonst noch alles, was jede Freude nimmt.
Der Abschied von Jever ist mir recht schwer gefallen, denn ich hab doch noch viele liebe und wunderschöne Erinnerungen dort gelassen. Erbsen und Bohnen habe ich schnell noch nach Carels geschleppt in 1 ½ stündigen Fußmarsch. Hoffentlich schicken sie alles bald ab. Hier werde ich wohl keine Gelegenheit haben, etwas aufzutreiben.
Hier ist das Wetter nun auch schon kalt und schneeig
geworden. Gott sei Dank haben wir wenigstens in den Büroräumen Zentralheizung. In den Baracken sind natürlich Brikettöfen. Daß ich heute überhaupt zum Briefschreiben komme, kommt, weil ich Nachtdienst habe. Wenn ich mit der Arbeit fertig bin, kann ich in einem Liegestuhl schlafen, wenn es gelingt, aber es wird schon, denn ich bin abends immer sehr müde.
Mit Mutter mußt Du eine Engelsgeduld haben (Hat sie übrigens meinen Brief bekommen? Alles braucht Ihr Euch übrigens auch nicht gefallen zu lassen, denn manches bei ihr ist nur Laune, und es ist gar nicht schlecht, wenn ihr mal in Ruhe, aber bestimmt, die Meinung gesagt wird. Vielleicht kommt die schlechte Laune auch jetzt daher, weil sie sich im Krankenhaus nicht mehr wohl fühlt und sich nach Hause zurücksehnt. Hoffen wir das Beste.
Lotti, ich weiß ja, daß ich Dich mit dem Gedanken langweile, aber gibt es denn gar keinen günstig gelegenen Garten für uns, den wir auch nach dem Kriege behalten könnten? Jetzt, wo so viele Leute eingezogen sind, gibt es doch sicher welche, die ihren Garten nicht mehr bestellen können.
Ich habe unterdessen den Brief nach Kassel schon geschrieben und schicke Dir daher die Aufstellung wieder zurück. Gleich nachdem alles beglichen ist, werde ich dann an Heinz schreiben. Ich habe immer noch die Hoffnung, die auch Theo (Düren, vermisst in Russland 1943) teilte, daß alles wieder in Ordnung kommen könnte. Das wäre wunderbar, und Du hättest mir dazu verholfen.
In der Ferne höre ich die Züge rollen. Es sind die auf der Strecke Hamburg-Bremen. Viele davon fahren nach Köln. Ach, könnte ich mit und Dich in die Arme nehmen, mein süßes, liebes, goldiges Frauchen.
1000 liebe, liebe Küsse
Dein Harald