Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 18. Mai 1944

18.5.44

Liebes Lottenkind!

am Sonntag ist nun Muttertag, wie ich eben durch Zufall erfahre. Da stehe ich nun und kann nichts aber auch garnichts unternehmen, um Dir eine Freude zu machen. Ich kann Dich nur recht lieb haben und Dich mit meinen Gedanken in der Ferne grüßen. Mein Urlaub wird immer nebelhafter. Jetzt hat der einzige Mann, der mich vertreten könnte, Heiratsurlaub eingereicht. Wir müssen also mit ganz grobem Geschütz schießen. Schreibe mir sofort, daß Du jeden Brief von mir in der Hoffnung aufreißest, daß ich mein Kommen melde, stattdessen stände immer nur drin, daß ich nicht kommen könnte. Hat man denn gar kein Verständnis für unsere Lage! Schreib wie ich mir den Umzug zur Freimachung der beschlagnahmten Wohnung denke, da es keine Leute gibt. Schreibe wie es mit dem Erbschein werden soll, wie mit den Versicherungsgeldern, wie mit der Steuererklärung. Wenn es kein Jahresurlaub wird, müsste es es wenigstens ein Sonderurlaub werden. Schreibe sofort und trage ganz dick auf. Die Invasion macht uns sonst einen ganz dicken Strich unter alles. Es muß sehr schnell gehen, denn die Post geht ab.

1000 liebe, liebe Küsse  
Dein Harald