Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 16. Juni 1944
16.6.44
Mein liebes Lottenkind,
nun bin ich am 15. doch nicht fortgekommen. Ich hatte es geahnt. Inzwischen ist auch eine ziemlich strenge Urlaubssperre vom Führer gekommen. Was soll man da machen. Ich habe alles unternommen, was nur denkbar war. Ich sitze noch in Rotenburg, kann aber jeden Tag nach R(h)einsehlen beordert werden, deshalb müssen wir uns sehr beeilen, damit wir mit den rückständigen Arbeiten fertig werden. Ich habe in den letzten Tagen hier einen alten Kameraden vom Jafü (?) wiedergetroffen. Es ist Erich Kinkel (?) mit dem wir damals gesungen haben und bei dem ich mal in Harburg, wo er zu Hause ist, war. Er kam von Norwegen zurück. Wir haben uns herzlich gefreut und zur Begrüßung eine Flasche Samos, die er mitgebracht hatte, getrunken. Das war mal ein Lichtblick. Sehr gefreut habe ich mich auch über Deinen Anruf. Man kann sich so in solchen Situationen nicht viel sagen, aber man freut sich doch, wenn man die Stimme des anderen hört. Wir müssen schon viel Geduld haben, aber ich bin ja noch in der Heimat. Was mag z.B. Frau Lichtschlag für Ängste ausstehen, die ihren Mann an der Invasionsfront weiß. Sie werden sicher viel durch die zahlreichen
feindlichen Bomber auszustehen haben. Von den von Dir angekündigten Briefen ist bisher nur einer angekommen und zwar der, an dem Du drei Tage lang geschrieben hast. Ist eigentlich der Brief angekommen, in dem ich Dich bat an Carels 9 Mk. für die Eier zu schicken und hast Du das getan? Ich bin jetzt dabei, mein Gepäck feldmäßig zu erleichtern und schicke Dir 2 Pakete. Was Du an Wäsche darin findest, das lasse bitte waschen und fertig machen. Hier hatte die Invasion in den ersten Tagen eine Erleichterung der Luftlage gebracht, aber jetzt kommen die Kerle schon wieder. Wie sieht es bei Euch aus in dieser Hinsicht? Von unseren Leuten in Frankreich hören wir so gut wie nichts. Nur eine ganz ansehnliche Verlustliste ist da. Zum Teil sind sie schon auf dem Hinflug gefallen. Der Tommy ist luftmäßig zu stark. Wir können kaum die Nase aus dem Dreck heben und schon kriegen wir eins drauf.
1000 liebe Küsse
Dein Harald