Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 19. Juni 1944

19.6.44

Mein liebes Lottenkind,

eben sagt mir Uffz. Schmidt, daß Du über Mittag angerufen hast. Schade, daß ich nicht da war. Mit dem Urlaub wir es wohl nichts werden. Man erwartet noch eine weitere Invasion und mit der ersten sind wir noch lange nicht fertig. Da wird die Sperre wohl so bald nicht aufgehoben. Das sind Tatsachen, gegen die wir kaum ankönnen. Gestern bekam ich einen Gruß von Wilhelm. Sie lagen im einem schönen Chateaux(!) haben aber inzwischen wieder verlegt. Schreibe bitte wieder nach Rotenburg weil sonst die Gefahr besteht, daß die Post nach Frankreich läuft. Ich schreibe Dir jede Änderung sofort. Gestern, am Sonntag Nachmittag, hatte ich frei. Da bin ich nach Scheessel gefahren zu Dr. Rothermund, der Friedericianer ist. Es war sehr nett. Als Landarzt lebt er dick im Fett. Die Fahrt nach Sch. mit dem Fahrrad war sehr schön, viele Wegränder und ein Bahndamm waren leuchtend blau von lauter Lupine. Die hohen Kerzen standen dicht an dicht. Es war ein wundervolles Bild. Wenn man auch nur einigermaßen übersehen könnte, wie lange ich noch hier bleibe, würde ich sagen komm. Die Landschaft würde Dir sehr gefallen. Das Leben hier ist sonst alles andere als gemütlich. Wir haben kein Trinkwasser und nur zeitweise Licht. Zum Trinken holen wir uns Sprudel aus dem Dorf.

Hier bekommt kein Mensch Post mehr. Hamburg ist verschiedentlich schwer angegriffen worden, da wird die Feldpost wohl auch nicht mehr funktionieren. Von den Bränden in Hamburg war hier der ganze Himmel verdunkelt trotz hellem Sonnenscheins. Ebenso stand im Süden eine schwere Wand. Das muß Hannover gewesen sein. Der Tommy strengt sich mächtig an, um den Eindruck der neuen Waffe auszugleichen. Hoffentlich haben wir genug von dem Dreck, daß keine Pause entsteht. Es kommt auch noch der Gaskrieg. Seht nur zu, daß alles in Ordnung ist. Bist Du mal mit Hüllen in Verbindung getreten wegen der Kartoffeln im Herbst: Tu das bitte, damit die Kartoffelversorgung im Winter sichergestellt ist. Hier haben die Bauern die Saatkartoffeln viel zu spät bekommen. Das gibt natürlich eine geringere Ernte. Hoffentlich ist es bei Euch besser.

Nun liegt der Brief schon wieder 2 Tage. Heute ist Ofw. Edel mit 8 Mann im Auto hier weg nach Frankreich. Wenn sie in Godesberg vorbeikommen, was noch nicht sicher ist, dann bringen sie Dir Grüße von mir.

Viele liebe Küsse                  
Dein Harald

Mitglied einer Studentenverbindung