Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 21. September 1944
21.9.44
Mein liebes Lottenkind,
gestern war ich nun in Cottbus und habe auf dieser Weise einen freien Tag gehabt. Cottbus ist ein originelles Städtchen mit z.T. Recht alten Gebäuden und noch teilweise erhaltener Stadtmauer. Auch einige Trachten bekam ich zu sehen, sie sind recht bunt, erinnern an die Oberhessen, jedoch der riesige Kopfaufbau fehlt, an seine Stelle tritt ein buntes Kopftuch. Im übrigen sind die Wenden recht stammesbewußt und echte Slaven. Die Schwester eines meiner Kameraden ist bei Cottbus auf einem Wendenhof Arbeitsmaid. Dort ißt der gefangene Russe und der polnische Ostarbeiter mit am Tisch, während die deutsche Arbeitsmaid im Nebenstübchen allein essen muß und von der Tischgemeinschaft ausgeschlossen ist. Die Umgangssprache ist wendisch und nur mit der Maid wird deutsch gesprochen. Die Maiden
sollen dafür sorgen, daß in den Häusern deutsch gesprochen wird, aber sie sind machtlos. Das ist ein trauriges Ergebnis einer Jahrhunderte
alten Kolonisation. Die ganze Gegend ist etwas dürftig. Wenn die Mark des Hlg. Römischen Reiches Streusandbüchse ist, dann muß man die Lausitz getrost hinzunehmen. Der Vegetation fehlt überall die Üppigkeit. Die Spree ist bei Cottbus ein ganz nettes Flüßchen etwa von der Größe der Sieg. Sie fließt schnell ist grünlich und bildet zahlreiche Inseln, die parkartig ausgestaltet sind. Es gab sehr viele Soldaten dort und die Straßen wimmelten von gepanzerten Schützenwagen und sonstigem Kriegsgerät. Es ist eine Nachschubstelle für die Panzerdivision H. Göring. Hier in der Gegend gibt es haufenweise Gurken und Kürbisse. Man kann sie in den Geschäften und auf dem Markt in beliebigen Mengen kaufen. Auf den Feldern sehe ich die Kürbisse in rauhen Mengen liegen: könnte ich jetzt schicken, dann bekämt Ihr welche. Wir bleiben jetzt vermutlich doch hier. Unser flg. (fliegenden)Teile sollen nach Erledigung ihrer Aufgabe wieder hierher zurückkommen. Es ist jeden Tag etwas anderes. Hoffentlich kommt das Paket bald, damit ich ein sauberes Hemd an den Balg bekomme und mich wieder rasieren kann.
Es grüßt Dich tausendmal und gibt Dir viele, viele liebe Küsse
Dein Mann