Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 16. Oktober 1944

16.10.44

Mein liebes Lottenkind,

also das mit der Post,das klappt ganz und gar nicht. Ich bekomme einfach nichts und komme auch nicht zu den Schalterstunden zum Postamt. Schreibe also bitte nicht mehr postlagernd sondern an „Uffz. H. Endemann Steinhude Bleichenstraße 185a R.A.D “   Ich hatte gehofft, daß ich auf Grund eines Briefes oder Telegrammes von Dir zu Heidis Geburtstag zu Hause sein könnte, aber es kommt nichts. Ich bekam gestern beiliegenden langen Brief von Carels. Die Armen sind immer noch in Sorge um ihren Sohn, der auf Ösel ja wieder mitten drinn ist. Schicke bitte den Eierkarton gleich ab und schreibe ihnen, daß Du ihn abgeschickt hättest. Wenn ich doch blos wüßte, ob bei Euch das Telefon wieder geht, dann würde ich versuchen nachts anzurufen. Trotz aller Stabilisierungsversuche glaube ich nicht, daß wir die Front im Westen halten können. Auch im Osten

gelingt es uns nicht, im Süden erst recht nicht. Wenn ich nun wüßte, was du von meinem Plan hälst, die beiden kleinsten Kinder fortzutun. Es gab vorgestern wieder Marketenderware (schöne Sachen) ich habe aber kein Geld. Schicke mir bitte noch einmal 40 Mark durch die Post.ich leihe mir inzwischen das Geld bei Wilheln. So allmählig sind wir hier ganz passabel eingerichtet, aber unseres Bleibens wird wohl auch hier nicht lange sein. Das Vagabundieren ist nun mal typisch für die Jägerei und wir hatten großes Glück früher so lange auf den einzelnen Plätzen zu liegen. Es kam auch nur daher, weil unsere Jäger spezialisiert für den Flug über See waren. Aber von denen ist lange keiner mehr bei uns. Ich habe solche Sehnsucht nach Dir, daß es mir manchmal richtig den Atem verschlägt. Da macht auch viel, daß ich nichts von Euch höre.

1000 liebe Küsse
Dein Harald