Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 11. Dezember 1944
11.12.44
Mein liebes, süßes Lottenfrauchen,
hoffentlich bringt Dir die Post diesen Brief noch zur Weihnachtszeit ins Haus. Hoffentlich sind wir alle dann noch gesund, hoffentlich könnt Ihr das Fest noch in einiger Besinnlichkeit in Godesberg feiern. Hoffentlich. Hoffentlich! Wann je war ein Weihnachtsfest mit soviel Fragezeichen. Woher soll man Weihnachtsstimmung nehmen, wenn die Sorge und vielleicht die Not sich einquartiert hat. Ich habe mir viel Mühe gegeben um Dir auch bei diesem Fest meine Liebe zu beweisen, aber ich habe keine Möglichkeit, diese Beweise meines Gedenkens zu Dir zu bringen. So muß ich Dir schreiben was das Christkind Dir bringen sollte und muß Dich bitten, alles bereits für die Tat zu nehmen. Die Mu hat von mir 2 Bücher für Dich, die sie hoffentlich nicht vergessen wird. Ein weiteres Buch liegt in Frielendorf bei Lenchen. Ich selbst schleppe mit mir herum einen Geschenkkarton von 4711 mit einer schönen Flasche Kölnisch Wasser und einen Kühlstift, mit dem man sich die Stirn einreibt. Dazu habe ich auch ein schönes Paar dunkelbraune Hauchstrümpfe. Das alles mit viel, viel Liebe aufgebaut, würde für das 6. Kriegsjahr einen schönen Tisch ergeben. Du mußt ihn Dir denken und als Prachtstück dazu einen himmelhohen Berg Liebe von mir. Ach Lottenkind was sind das für Zeiten.Ich werde Weihnachten kaum wissen, wo ich hindenken muß ob ihr noch in G. sein werdet oder Gott weiß wo sonst, und Du kannst Dir von meinem Dasein und Aufenthalt auch keinen festen Begriff machen. Die Weihnachtslieder klingen in diesem Jahr so unglaubwürdig, und das Fest aller Feste wird für uns alle viel Bitteres haben. Trotzdem wollen wir fester denn je uns innerlich verbunden fühlen und uns durch nichts trennen lassen. So ganz ohne vorweihnachtliche Freuden bin ich übrigens doch nicht gewesen. Da war zuerst am 1. Adventssonntag eine gemütliche Feier so etwa in Godesberger Art mit Gebäck und Glühwein bei Thea Lindemann. Auch Ehlen, den Du ja aus Dortmund kennst, war auch mit da. Es war sehr gemütlich. Dann war ich gestern Nikolaus bei der Geburtstagsfeier des 9jährigen Söhnchens des Steinhuder Ortsgruppenleiters. Hptm. B(?)/Doenick hatte mich hingeschickt. Es waren etwa 30 Kinder eingeladen. Ich sah mit Pelzjacke, -hose und Mütze und großem Wattebart, Sack und großem
Hirtenstock recht martialisch aus. Wie gerne hätte ich das bei meinen Kindern gemacht. Am Ende wurde ich noch ein ein Gasthaus verschleppt , wo evakuierte Kölner mit kranken Kindern waren. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen und sprach den „Hillige Mann“ echt Kölner Platt. Der Jubel war unbeschreiblich. Hätte ich doch etwas von dieser Freude auch zu Euch bringen können. Wieviele Freuden müssen auch unsere lieben Kinder entbehren.Wir müssen mit besonderer Liebe für sie sorgen und ihnen das zu ersetzen versuchen, was ihnen an äußerer Freude entgeht. Wer weiß, was den armen Würmern noch bevorsteht. Grüße bitte auch die liebe Omi und Lisbeth recht herzlich und gib allen Kindern einen recht lieben Kuß von ihrem Pappi.
Dich mein süßes Frauchen nehme ich recht lieb in den Arm und küsse Dich mit unendlicher Liebe
Dein Mann
neue Feldpost wahrscheinlich 452400 (unleserlich) Wiesbaden