Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, vermutlich 4.3.1945
[Original verlorengegangen]
den 4.3.44
Mein lieber Mann!
Das Schießen von der Front ist näher gerückt; gestern sprach der Wehrmachtbericht von südöstlich Hürtgen, das wäre bei Nideggen. Wie Köln rangenommen wird, kannst Du aus dem beiliegenden Artikel sehen. Von Partei wegen wird jetzt gewünscht, dass Frauen und Kinder weggehen.
Bitte,bitte, sieh zu, dass Du Urlaub bekommst, um uns wegzuhelfen. Ich kann das allein nicht.
Wir vermuten alle, dass der große Stoß doch in Richtung Köln gehen wird, denn so, wie die Stadt bombardiert wurde, ist noch nie eine bombardiert worden. Man (die Bevölkerung) denkt sogar an Luftlandungen im Raume Köln. Auf jeden Fall wird sich hier in der nächsten Zeit doch wohl mehr tun, als man vorher angenommen hat.
Ich muss Dich zur Hilfe hier haben, denn ich kann das mit fünf Kindern nicht allein. Es ist so viel noch zu regeln vorher, besonders Geschäftliches,oder soll ich alles liegen lassen? Und wo soll ich hin? Die Transporte gehen alle nach Halle-Merseburg, eine mir sehr unsympathische Ecke wegen der vielen Industrie. Kann ich nach Steinhude? In Merseburg werde ich wohl auch nur in einer Scheune unterkommen. Oder besteht in Hessen die Möglichkeit von zwei Zimmern? Es hängt so viel mit dem Fortgehen in Frage, das nur Du regeln kannst. Du musst kommen.Den Behörden hier wächst der Kram über den Kopf, man muss sich selber helfen, und da brauche ich Dich. Ob unsere Flüchtlinge heute wegkommen? Es ist der vierte Tag, dass sie auf den Abtransport warten. Die Züge werden immer wieder von der Wehrmacht beschlagnahmt, heute wird versucht, ob von Königswinter aus ein Zug geht. Wenn Du kommst, musst Du sehen,über Siegen zu kommen, evtl. mit jedem Auto weiterfahren. Alle Wehrmachtwagen sind angewiesen, jeglichen , auch Zivilpersonen, mitzunehmen, weil das hier die einzige Art der Weiterbeförderung ist. Du musst Dir dann in jeder Stadt einen neuen Wagen Richtung Heimat kapern. Und uns vielleicht so mitnehmen. Deine Lotti
Eben wollte ich Frau Engels anrufen. Sie ist schon weg und hat ihre Wohnung Thomas B.. (unleserlich) zur Verfügung gestellt. ...(Unleserlich)
Der Gedanke ist entsetzlich wegzumüssen, aber ich glaube (Rest fehlt)
Von Helga blieb jede Nachricht aus, erst durch Ursel, die irgendwann eintraf, kam die Nachricht, dass Helga im Marburger Klinikum liege: Leukämie. Helgas Zustand verschlimmerte sich schnell. Lotti schaffte unter abenteuerlichen Umständen einen oder zwei Besuche in Marburg. Ebenfalls unter abenteuerlichen Umständen wurde ein Rücktransport nach Godesberg organisiert. Eine Reihe von Bluttransfusionen vom entkräfteten Vater und anderen konnte das Sterben nur verzögern. Helga starb am 8. Oktober 1945.